Nachhaltiger Konsum beginnt im Kleiderschrank
Jetzt einmal ehrlich, wann habt ihr das letzte Mal eine Bestandsaufnahme in eurem Kleiderschrank gemacht? Ist euch bewusst, welche Kleider ihr besitzt, wenn ihr neue Kleidung kauft? Wenn nicht, habt ihr eventuell schon einmal ein Kleidungsstück gekauft, welches ihr in ähnlicher Form schon in eurem Besitz hattet? Einige Fragen, die bei der Lesung von „Einfach Anziehend“ aufgekommen sind, wobei Tobias Zahn hier keine Lesung gemacht hat, sondern eine kleine Diskussionsrunde mit einer Person aus dem Publikum und Richard Häusler als Moderator. Aber eigentlich trifft es das auch nicht, eigentlich war es ein großer Gesprächskreis, denn auch das Publikum war in die Diskussion mit eingebunden, stellte Fragen und brachte eigene Statements ein. Es war also absolut keine Lesung.
„Welchen Wert hat das Kleidungsstück in meinem Schrank für mich persönlich?“
Nachhaltiger Kleidungskonsum fängt schon bei dieser Frage an. Ist Kleidung für mich ein Wegwerfprodukt, welches ich nur für kurze Zeit trage, oder trage ich die Kleidung solange wie möglich, repariere kleinere Löcher selbst oder lasse sie reparieren? Und was mache ich mit der Kleidung, die ich nicht mehr trage? Tausche ich diese, lasse ich diese einfach im Schrank liegen, werfe sie weg oder gestalte ich sie eventuell selbst um, um sie dann wieder zu tragen? Denn natürlich steigt die Nachhaltigkeit von Kleidung, umso länger diese getragen wird.
Um Kleidung lange zu tragen, braucht diese natürlich auch eine gewisse Qualität. Doch Qualität lässt sich nicht immer am Preis festmachen, hält eine Frau aus dem Publikum fest und auch Tobias Zahn stimmt dieser These zu. Denn, so die Aussage weiter, ob Markenprodukt oder Mode aus dem Discounter, die Kleidung wird meist von denselben Näher*innen genäht. Der Unterschied liegt hier eher in der Masse und deswegen kann es durchaus sein, dass ein 5,- Euro T-Shirt eine bessere Qualität hat als ein teures Fair-Trade-Produkt.
Shoping als Freizeitevent
Doch auch ein anderer Aspekt kam in der Diskussion zur Sprache, nämlich der Eventcharakter des Einkaufens. Wir kaufen Kleidung nicht immer, weil wir diese unbedingt brauchen, sondern weil wir sie unbedingt wollen. Einkaufen in geselliger Runde bringt Spaß, ist ein soziales Event und die Kleidung ist die Belohnung. Hinzu kommt, dass ein Fehlkauf nicht wirklich ärgert, solange der Preis der Kleidung niedrig ist. Wir fragen uns dann nicht, ob wir das wirklich brauchen, ob wir es wirklich tragen werden, sondern wir finden es in diesem Moment schön und wollen es einfach nur besitzen.
„Arme Menschen wissen nicht, dass sie arm sind.“
Dann kam die These auf, dass sich arme Menschen ihrer Armut nicht bewusst sind, weil sie sich so günstige Kleidung kaufen können. Ich halte diese These für falsch, ich glaube nämlich, dass sich die Menschen durchaus ihrer Armut bewusst sind. Deswegen kaufen sie diese Kleidung und externalisieren – so wie es die imperiale Lebensweise impliziert – ihre Armut in andere Länder und es bleibt ihnen ja auch nichts anderes übrig. Und meist ist auch Second-Hand keine Alternative, weil die Kleidung, die dort angeboten wird, meist immer noch teurer als die Discounter-Kleidung ist. An Fair-Trade oder Biokleidung ist da gar nicht erst zu denken, auch wenn diese am Ende vielleicht noch einmal bedeutend länger halten würde, denn das Budget, welches im Moment des Kaufes zur Verfügung steht, ist einfach zu gering.
Und meist wird diese Kleidung auch bis zum Ende getragen, denn einkommensschwache Menschen konsumieren auch weniger. Sie reparieren ihre Kleidung, tragen sie auch weiter, wenn kleinere Löcher drin sind und werfen sie erst dann weg, wenn wirklich nichts mehr geht. Für diese Menschen ist Kleidung also keinesfalls ein Wegwerfprodukt, auch wenn diese noch so günstig ist.
Second-Hand Kleidung
Damit sind wir dann schon bei der Second-Hand Kleidung. Sie fristet noch ein Nischendasein, weswegen sie unbedingt ein neues Image braucht, so die Meinung aus dem Publikum. Aber sie scheint nicht nur ein neues Image zu brauchen, sondern es scheint auch die Transparenz zu fehlen. Wo kommt die Kleidung denn überhaupt her? Wo wird sie sortiert und aufbereitet? Ist Second-Hand wirklich immer so nachhaltig oder wird der CO2-Abdruck durch unnötige Transportwege doch wieder aufgebläht? Da ist also noch ein wenig was zu tun, damit Kleidung die Chance auf einen längeren Lebenszyklus hat.
Bildungsaspekt
Der Bildungsaspekt durfte in der Diskussion natürlich nicht fehlen. Warum kaufen die Leute das überhaupt? Ist ihnen nicht bewusst, wie die Kleidung produziert wird? Sind die katastrophalen Bedingungen bei der Herstellung nicht im Bewusstsein der Menschen? Tobias Zahn ist der Meinung, dass die Menschen meist dann etwas ändern, wenn sie persönlich Betroffen sind, sie selbst Erfahrungen in diesem Bereich sammeln konnten. Hier wäre der Bildungsansatz, der gegangen werden könnte.
Ansonsten ging vieles in die Richtung der „Ökoroutine“. Die Politik soll faire Bedingungen schaffen, damit Fair-Trade und Bio-Kleidung zum Standard wird. Der Spaß an Kleidung soll nicht verloren gehen, er soll nur Nachhaltiger werden.
Titel: Einfach Anziehend
Autoren: Alf-Tobias Zahn, Kirsten Brodde
ISBN-13: 978-3962380540
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