„Nicht über unsere Köpfe“ von Erich Visotschnig
Sind wir doch einmal ehrlich, die derzeitige repräsentative Demokratie ist mangelhaft. Einmal alle paar Jahre wählen gehen und ansonsten keinen Einfluss auf die politischen Entscheidungen zu haben, hat nicht viel mit dem eigentlichen Prinzip der Volksherrschaft zu tun. Natürlich ist eine repräsentative Demokratie immer noch besser als gar keine Demokratie, aber sehr viel besser wäre, wenn alle Betroffenen einer Entscheidung auch die Möglichkeit hätten, an diesen Entscheidungen mitzuwirken. Ja, es geht hier um mehr direkte Demokratie, um die Beteiligung aller Menschen an politischen Entscheidungen von denen sie betroffen sind.
Natürlich kenne ich die Argumente, die viele gegen mehr direkte Demokratie in Stellung bringen. Die Menschen können die Komplexität nicht überschauen, die politische Entscheidungen mit sich bringen. Sie könnten von Populisten missbraucht werden und Entscheidungen könnten durch viel Geld erkauft werden und der wichtige Minderheitenschutz sei dann auch nicht mehr gegeben. Nur überzeugen mich diese Argumente nicht wirklich! Auch Politiker in einer repräsentativen Demokratie sind nur Menschen, auch sie müssen sich die Zeit nehmen und sich das notwendige Wissen für politische Entscheidungen aneignen. Und mit viel Geld können sich Lobbyisten auch in Gesetzesverfahren einbringen. Und nur, weil die Rechtspopulisten das Thema direkte Demokratie auch auf ihre Fahnen geschrieben haben, sollten wir das Ziel von mehr Mitbestimmung nicht aufgeben.
„Nicht über unsere Köpfe“ von Erich Visotschnig
Im Buch „Nicht über unsere Köpfe“ gibt Erich Visotschnig die Anleitung für ein neues System der demokratischen Entscheidungsfindung. Durch systemisches Konsensieren wird es möglich, die besseren Lösungen zu finden. Es gibt nicht mehr die klassische Abstimmung mit „Ja“ und „Nein“, mit „Dafür“ oder „Dagegen“, sondern es wird die Lösung mit dem geringsten Widerstand gesucht. Es gibt keine Sieger und Verlierer mehr in Abstimmungen, sondern es werden alle Argumente beachtet, jeder kann Lösungsvorschläge einbringen, kann erklären, warum er strickt gegen eine bestimmte Lösung ist und warum eine andere Lösung besser wäre. Es gibt nicht mehr nur die Wahl zwischen zwei Extrempositionen, sondern die vielen Positionen dazwischen finden ebenso Beachtung und das schönste ist: Jeder darf mitmachen! Jeder kann die Argumente und Lösungsvorschläge bewerten, kann sie Verbessern und als neuen Lösungsvorschlag einbringen oder kann seine Stimme delegieren, wenn er selbst vom Thema keine Ahnung hat.
„Das „Nein“ der anderen zu missachten und von ihnen Gehorsam zu verlangen bedeutet, ihren Willen und damit ihre Individualität auszuschalten. Es bedeutet, die anderen nicht als gleichwertige Menschen zu achten und sie daher in ihrer Würde zu verletzen.“
Zitat aus „Nicht über unsere Köpfe“ von Seite 95
Okay, das ist jetzt ziemlich kurz zusammengefasst und die wichtigsten Punkte sind nicht aufgegriffen, aber es geht um ein komplett anderes Modell der Demokratie, nicht jeder gegen jeden, sondern um den Ausgleich von Interessen, um die Lösung, die für jeden Tragbar ist, weil sie den geringsten Widerstand erfährt.
„Das Ziel der Koalition – die gemeinsame Arbeit – widerspricht der Konkurrenznatur der beteiligten Parteien. Dementsprechend blockieren sich Letztere oft genug gegenseitig. Wichtige Entscheidungen werden verwässert. Wirklich gute Lösungen kommen nicht zustande. Es kommt zu unbefriedigenden Kompromissen. Auch lähmender Stillstand kann die Folge sein.“
Zitat aus „Nicht über unsere Köpfe“ von Seite 158
Mein Fazit
Das Buch ist super geschrieben. Es gibt eine Einführung in das systemische Konsensieren, ermöglicht einen Einblick in eine Demokratie, die wirklich eine Demokratie wäre und die unsere Gesellschaft solidarischer machen würde. Absolut Lesenswert und eine Anleitung, um die Welt besser zu machen.
Titel: Nicht über unsere Köpfe
Autor: Erich Visotschnig
ISBN-10: 9783962380212
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